Mit der EU-Entwaldungsverordnung (EUDR) wird ein Benchmarking-System für Länder eingeführt, das Länder als Länder mit niedrigem, normalem oder hohem Risiko für Entwaldung und Waldschädigung einstuft. Eine Einstufung als „niedriges Risiko“ kann zwar die Sorgfaltspflichten vereinfachen, Unternehmen sind jedoch nicht davon befreit, die vollständige Rückverfolgbarkeit der Lieferkette nachzuweisen und die Herkunft der Rohstoffe zu dokumentieren. Die ersten von der EU veröffentlichten Benchmarks stießen auf Kritik, weil sie politisch beeinflusst waren. Länder wie Russland und Belarus wurden als „hohes Risiko“ eingestuft, während wichtige Handelszentren wie China und Indien als „niedriges Risiko“ eingestuft wurden. Für die Unternehmen bleibt die eigentliche Herausforderung: Lieferketten glaubwürdig zurückzuverfolgen und zu dokumentieren.
Mit der Entwaldungsverordnung (EUDR) schafft die EU ein Instrument, um Wälder weltweit zu schützen und Treibhausgasemissionen zu senken. Ziel ist es, dass bestimmte Rohstoffe wie Kakao, Kaffee, Palmöl, Soja, Kautschuk sowie Papier- und Holzprodukte nur noch dann auf den europäischen Markt gelangen, wenn sie entwaldungsfrei und legal produziert wurden.
Die Einstufung der Länderbenchmarks in “niedriges Risiko”, “normales Risiko” und “hohes Risiko” entscheidet darüber, wie streng die Anforderungen für Unternehmen ausfallen. Während Importe aus Niedrigrisikostaaten mit vereinfachten Prüfungen möglich sind, gelten für Hochrisikoländer deutlich strengere Regeln.
Die Benchmarks wurden von der EU für Länder und Regionen ermittelt, im Wesentlichen basierend auf:
Es können darüber hinaus auch andere Kriterien wie von ENGOs vorgebrachte Bedenken oder die Rechte indigener Völker einbezogen werden.
Bei relevanten Erzeugnissen aus Ländern mit hohem Risiko oder deren Landesteilen sind die zuständigen Behörden verpflichtet, verstärkte Kontrollen durchzuführen.
Marktteilnehmer müssen Artikel 10 und 11 nicht erfüllen - also Risikobewertung und Risikominderung - wenn der Rohstoff aus einem Land mit geringem Risiko stammt (Länder Benchmark “niedriges Risiko”). Das gilt auch für die Kriterien der Verordnung, die nicht direkt mit einer Entwaldung in Zusammenhang stehen, wie die Rechte indigener Völker.
Um die Herkunft aus entsprechenden Ländern nachzuweisen, muss die Lieferkette uneingeschränkt bekannt und dokumentiert sein. Und das Risiko muss bewertet werden, ob durch die Komplexität der betreffenden Lieferkette Rohstoffe aus anderen, risikobehafteten Quellen in das Produkt gelangt sein können.
Die Pflichten zur Informationsbeschaffung aus Artikel 9 gelten uneingeschränkt, u.a.;
g) angemessen schlüssige und überprüfbare Informationen darüber, dass die relevanten Erzeugnisse entwaldungsfrei sind;
h) angemessen schlüssige und überprüfbare Informationen darüber, dass die Erzeugung der relevanten Rohstoffe im Einklang mit den einschlägigen Rechtsvorschriften des Erzeugerlandes erfolgt ist, einschließlich aller Vereinbarungen, die das Recht begründen, das betreffende Gebiet für die Erzeugung der relevanten Rohstoffe zu nutzen.
- Die Resultate der veröffentlichten Länder-Benchmarks haben wenig mit Risiken bezüglich Entwaldung zu tun, sondern sind in erster Linie politisch geprägt. So gehören zu den wenigen Ländern mit “hohem Risiko” Russland, Belarus und Nordkorea - Länder, die kaum von Entwaldung betroffen sind.
- Schwellenländer mit massivem illegalen Holzeinschlag (z. B. Republik Kongo, Papua Neu Guinea) werden dagegen überraschend als „geringes Risiko“ eingestuft – auf gleicher Stufe wie die EU-Staaten oder die USA.
- Wichtige Umschlagplätze wie China, Indien oder Singapur, erhalten einen „Low-Risk“-Status und unterliegen damit verminderten Kontrollen. Auch Länder wie die Türkei und Kasachstan, die beim Holzumschlag kontroverser Quellen regelmäßig im Fokus stehen, sind durch das Länder-Benchmark weniger im behördlichen Fokus.
- Bei Hinweisen auf Entwaldung oder Waldschädigung müssen Marktteilnehmer auch im Falle von Herkünften mit “niedrigem Risiko” reagieren; ein digitales Tool zu verwenden, welches automatisch Entwaldung anzeigt, ist damit nachteilig für ein Unternehmen.
- Die Bewertung “niedriges Risiko” führt leicht zu dem Schluss, dass die EUDR nicht relevant sei für diese Herkünfte. Das eigentliche, vorgelagerte Problem ist aber die Lieferketten glaubhaft nachzuweisen. Damit bleibt der wesentliche Aufwand in der Umsetzung der EUDR - den Ursprung der Rohstoffe nachzuweisen - bestehen. Eine z.B. automatisierte Risikobewertung der festgestellten Herkünfte ist dagegen vergleichsweise einfach.
Die Einstufung als „niedriges Risiko“ kann zwar den Umfang der Sorgfaltspflichten reduzieren, entbindet Unternehmen jedoch nicht von der Kernaufgabe: den Ursprung der Rohstoffe plausibel und vollständig zu dokumentieren. Gerade für komplexe Lieferketten bleibt der Aufwand erheblich. Unternehmen sollten sich daher nicht allein auf das Länder-Benchmark verlassen, sondern interne Prozesse und digitale Möglichkeiten nutzen, um Herkunftsnachweise effizient zu erbringen.
Sollte dem Marktteilnehmer darüber hinaus “einschlägige Informationen” oder “begründete Bedenken” zur Verfügung stehen, dass trotz der Einordnung “niedriges Risiko” Verstöße gegen die Grundsätze der EUDR vorliegen, so müssen Risikobewertung und -minderung durchgeführt werden. Welche Informationen hierfür qualifizieren beziehungsweise welche Herausgeber - z.B. ENGOs - bleibt abzuwarten.
Weiterführende Informationen:
Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung - EUDR Benchmarking FAQs
European Commission - Liste der EUDR-Länder-Benchmarks
Preferred by Nature - Übersicht und Weltkarte der EUDR-Benchmark